Die Pohan (Barbara und Bartholoměj/Bartholomäus) leben in Böhmen in Nová Cerekev im Bezirk Pilgram (Pelhrimov). Mutter Barbara, Vater Bartholoměj und sechs Kinder Jan/Johann, Božena, Ludmilla, Maria, Anna und Julie. Der Vater ist Alleinverdiener und ist Zimmermann. Bei einem Arbeitsufall – Bartholoměj stürzt vom Dach einer Baustelle – verstirbt der Vater und Alleinverdiener. Die Familie ist unversorgt.

Es ist nicht überliefert, ob der älteste Sohn Ján zu dem Zeitpunkt bereits in Wien war oder danach nach Wien zog.

Der älteste Sohn Jan/Johann versuchte sein Glück in der damaligen Residenz in Wien. Jan war wahrscheinlich zwischen 15 und 20 Jahre alt und kam frühestens 1891 spätestens 1895 nach Wien. Er besaß – eigentlich seine Frau Franziska – bald ein Lebensmittelgeschäft im 10. Bezirk, Quellenstraße 20, dort, wo die Straßenbahnlinie 6 – auch damals schon – in die Absberggasse Richtung Simmering abbiegt. Der Erfolg des Sohnes ermutigte bald auch die Töchter der Familie Pohan dem Bruder zu folgen. Das Geschäft war Ausbildung und Sprachschule gleichzeitig. Schließlich wurde auch Mutter Barbara, die danach beim Sohn in Favoriten lebte, nachgeholt, die Aussiedlung aus Böhmen war abgeschlossen.

Andenken an Mariazell 1914, Barbara Pohan, meine Urgroßmutter. Foto Kuss.

Die fünf Mädchen waren fleißige Näherinnen, Wäscherinnen und Verkäuferinnen; alle wurden zunächst im Geschäft des Bruders angestellt, damit sie die deutsche Sprache einigermaßen erlernten. Nun, erlernt haben sie die deutsche Sprache nicht wirklich, zumindest was Julie betrifft. Es reichte bei ihr gerade zu der unübertroffen Mischung aus Tschechisch und Deutsch, die man als Kuchl-Böhmisch kennt.

Der Erfolg der Lehre beim Bruder zeigte sich deutlich, da zwei Schwestern, Julia und Maria es zuwege brachten, sich ebenfalls ein Lebensmittelgeschäft zu erarbeiten. Nicht unmittelbar; Julia war nach unbekannten Zwischenstationen zunächst Geschäftsführerin in einer Konsum-Filiale in Wien 11, Hauffgasse/Sedlitzkygasse und erwarb danach das Geschäft und danach auch das Geschäft in Wien 11, Hauffgasse 14, Sedlitzkygasse 42, und danach Grillgasse 38. Die ältere Schwester Maria Peksa besaß ein Lebensmittelgeschäft in Wien 11, Hauffgasse 12.

Die Mutter Barbara Pohan war eine gläubige, religiöse Frau. Sie war in den Jahren 1923-1924 sogar mit dem Namen ‚Petra‘ in der tschechischen Abteilung des Klosters des heiligen Franz Seraf in Wien 1, Annagasse 3b eingeschrieben. Zahlreiche Gebetbücher und auch Andenken an eine Pilgerfahrt nach Mariazell bezeugen ihre Nähe zur Kirche. Interessanterweise erhielt sie einen Heimatschein der Gemeinde Wien im Jahre 1918 während die anderen inzwischen verheirateten Töchter auch nach 1918 weiterhin tschechische Staatsbürger waren.

1914, kurz vor dem großen Krieg. Ihre 6 Kinder haben sie aus Mähren nach Wien geholt und ihr eine Pilgerfahrt nach Mariazell geschenkt. Bild aus dem Hause des Fotografen Kuss. So religiös sie war ihre Kinder hatten das schon längst abgelegt. Gebrauchskatholiken sind sie geworden.

Die Geschwister heirateten in damaligen Tschechischen Gesellschaft.

Anna heiratete einen Schneidermeister Tůma und betrieb die Schneiderei in der Simmeringer Hauptstraße 107 im 1. Stock. Die Tůma hatte zwei Buben: Vladimír und Oto/Ottokar. In der Karriere der Söhne dürfte auch die Politik eine große Rolle gespielt haben, denn Vladimír konnte (in Prag?) studieren aber Oto nicht, denn er wurde ebenfalls Schneider und übernahm nach dem Tod des Vaters dessen Schneiderei. Vladimír lebte in Pilsen in der CSSR und konnte seine Verwandten in Wien nur selten besuchen. Oto war zwei Mal verheiratet. Einmal mit Anny Šlosar von der er später geschieden wurde und danach mit Hertha, mit der er zwei Söhne hatte, den älteren Friedrich und den jüngeren Alexander. Der ältere Alexander war bei gelegentlichen Besuchen der Tůma ein Spielkamerad.

Ludmilla heiratete den Schneidermeister Adalbert Tušl und hatte mit ihm zwei Söhne, Richard und Felix. Dessen damaliger Geschäftsstandort ist nicht bekannt, sicher hatte er aber später seine Werkstätte im Haus Sedlitzkygasse 14, das den Schwestern Ludmilla, Maria und Julie gemeinsam gehörte.

Božena (klingt wie „Gottes Frau“, weil „boží“ heißt „gottes“ und „žena“ heißt „Frau“) heiratete Herrn Mathias Klíma (Beamter). Herr Klima war zeitweise Obmann eines tschechischen Vereins in Simmering, bei dem auch meine Eltern Mitglied waren.

Maria heiratete den Lebensmittelhändler Josef Peksa, sie betrieben ein Geschäft in Simmering, Hauffgasse 12. Sie hatten eine Tochter, Miluška/Ludmilla, meine Tante Milli. Sie wohnten in dem heute noch bestehenden Eckwohnhaus Sedlitzkygasse 42/Grillgasse, von dem aus man auf die Hauptstraße sieht. Von einem der Erkerfenster sah die damals fünfjährige Milli, es war am 18. Mai 1910 ein Schauspiel, das für das kleine Mädchen so beeindruckend war, dass sie es nicht mehr vergaß: Der nahe an der Erde vorbeifliegende Halley’sche Komet war die Sensation dieser Tage und bei klarer Nacht berichtete Tante Milli vom beeindruckend großen Feuerschweif, der sich am Himmel ausbreitete.

Julie heiratete den Schlosser Franz Kvaček.

Wenn man den weiteren Erfolg der Familien betrachtet, dann sieht man, dass zumindest zwei der Schwestern Julie und Marie schon damals etwas wie erfolgreiche, emanzipierte Frauen waren. Sie gaben ihren Beruf nach der Heirat nicht auf und ernährten selbst unter Mithilfe des Ehemannes die Familie.

Anna und Ludmilla fügten sich als Schneidermeistersgattinnen in das Berufsleben ihres Mannes ein, was damals wahrscheinlich die angesehenere Art war. Es ist bemerkenswert, welche Noblesse die erhaltenen Fotografien von damals ausstrahlen. Wahrscheinlich war damals die Kluft zwischen Schein und Sein besonders groß. Was meine Großmutter betrifft, zumindest was den Zeitraum betrifft, in dem ich sie kannte, stand ihre bescheidene Lebensart in einem krassen Gegensatz zu ihrem bedeutenden Besitz, den sie sich im Laufe ihres Lebens erarbeitet hat.

Immerhin ist bemerkenswert, dass alle sechs Geschwister Pohan es schafften, sich in selbständiger Tätigkeit eine Existenz zu schaffen. Sie brauchten das Angestelltenverhältnis nur als Sprungbrett. Eine Quote, die heutzutage nicht so leicht anzutreffen sein wird. Wahrscheinlich auch damals nicht in dieser Form und deshalb muss dieser Familie Hochachtung von Ihrem Fleiß und Mut gezollt werden.

Eine einzige Begräbnisstätte der Pohan gibt es nicht, dagegen sprechen die Bestattungsvorschriften in Wien, wonach nur vier Leichen in einem Grab untergebracht werden dürfen, und bis zur nächsten möglichen Beerdigung müssen 10 Jahre verstreichen ehe eine Zusammenlegung und eine weitere Beerdigung stattfinden darf. Jedenfalls wurde meine Urgroßmutter Barbara Pohan auf dem Simmeringer Friedhof, begraben. Im gleichen Grab liegen auch ihre Töchter Maria Peksa, Božena Klima und Julie Kvaček und auch deren erster Sohn Franz Kvaček. Damit war die Grabkapazität erschöpft. Anna Tůma und Ludmilla Tušl liegen am selben Friedhof an anderen Orten begraben. Das Grab von Johann Pohan und seiner Familie ist am Wiener Zentralfriedhof.