Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz
Kampfbetont in Vorwahlzeiten… |
„Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz.“
Es ist Wahlkampf und diesen Slogan findet man bei
in seltener Einigkeit, allen voran auf einem Plakat von Werner Faymann. Frank fehlt in dieser Aufzählung aber beim ihm könnte der Slogan lauten: „Um Arbeitsplätze kämpft man nicht, die hat man“, vergisst dann aber dabei, dass es hier nicht um die hochqualifizierten Techniker bei Magna geht, sondern um das Heer der Arbeitssuchenden mit geringer Schulbildung. Auch dir Grünen fehlen, aber bei ihnen wäre das eher eine tautologische Wiederholung ihrer Forderung nach mehr Bildung für alle und wie wir sehen werden, ist allein Bildung die Formel, mit der man langfristig die Arbeitslosenzahlen in unserer heutigen österreichischen Gesellschaft verringern kann.
Der Slogan ist übrigens sehr pessimistisch, weil er ein Rückzugsgefecht signalisiert. „Irgendwer, den man nicht kennt, nimmt uns diese Arbeitsplätze weg. Arbeitsplätze werden weniger, daher muss man um jeden einzelnen kämpfen.“ Die Statistik der Arbeitssuchenden wird uns aber zeigen, dass wir teilweise selbst die „Arbeitsplatzdiebe“ sind, und dass man eigentlich nicht wirklich um Arbeitsplätze kämpfen muss sondern welche schaffen muss, denn jene Arbeitsplätze, die tatsächlich aus für uns nicht beeinflussbaren Gründen verloren gehen, etwa durch Globalisierung, um die können wir kämpfen wie Don Quichote, es wird nichts nützen, es wirkt nur kämpferisch am Wahlplakat.
Ich frage mich nun, was eine Regierung, die diesen Slogan im Sinne „das Land braucht mehr Arbeitsplätze“ ernst nimmt, tun müsste, um Arbeitsplätze zu schaffen.
Hier einmal eine Kurzfassung dieser Großtaten, die mir gefallen würden und danach einige Gedanken dazu.
- Verpflichtende Schulbildung bis zur Stufe einer berufsbildenden mittleren Schule, also bis 17 Jahre
- Verbesserung der Schulbildung der Migranten
- Bessere Steuerung der Mirgantenströme
- Ersatz der Mindestsicherung durch ein bedingungsloses Grundgehalt für alle
- Schaffung von gestützten Arbeitsplätzen unter dem Kollektivvertragsniveau
Arbeitslosigkeit und Bildung
In dem Jahresbericht des AMS 2012 kann man auf Seite 24 einer Grafik entnehmen, dass sich Arbeitslose zu 80% aus Personen rekrutieren, die keine weiterbildende Schule besucht haben. Das sind alle Pflichtschulabgänger aber auch Absolventen einer Lehre. Also auch das immer wieder gelobte duale Ausbildungsmodell besteht nicht vor der Statistik der Arbeitslosen.
Wir lernen daraus, dass nur eine höhere Schulbildung vor Arbeitslosigkeit schützt.
Das nützt aber den Kindern aus bildungsfernen Schichten derzeit wenig, das wird erst dann helfen, wenn man das Bildungssystem gründlich reformiert haben wird.
Den Bildungsstand der Bevölkerung erfahren wir von der Statistik-Austria. 2010, dass es bei insgesamt 4.651.426 Personen zwischen 25 und 64 folgende Schulabschlüsse gibt:
A B
19% 43% Pflichtschule
36% 37% Lehre
16% *) Mittlere Schule
15% *) Höhere Schule
14% *) Hochschule
A: Anteil
B: Arbeitslosenquote (aus AMS-Statistik hinzugefügt)
*) zusammen etwa 20%.
Wir lernen daraus, dass in unserer Gesellschaft Arbeiten, für die eine Pflichtschule oder Lehre ausreichend wären, zu wenig nachgefragt sind.
Wir „erlauben“ es viel zu vielen SchülerInnen, einfach nur einen Pflichtschulabschluss zu machen, so als lebten wir noch in den Zeiten Maria Theresias, als dieses System eingeführt wurde.
Wir alle wissen, dass die Entwicklung auf allen Gebieten rasch voranschreitet, nur auf dem Gebiet der Ausbildung junger Menschen meinen wir, dass es ausreicht, bis zum Alter von 14 Jahren die Schule zu besuchen.
Dabei brauchen wir nur auf die Statistik zu schauen, die spricht eine klare Sprache.
Aus der Statistik können wir schließen, dass eine Senkung der Arbeitslosenquote erfordert, dass man ein verpflichtendes Schulmodell entwickeln muss, bei dem eine Ausbildung so weit geht, dass das Niveau einer Mittleren Schule erreicht wird. Wahrscheinlich also etwa bis zum 17. Lebensjahr.
Was müsste also ein Kanzler tun, der diesen „Kampf um jeden Arbeitsplatz“ ernst nimmt? Er müsste eine solche Schulpflicht bis zum 17. Lebensjahr einführen.
Mittlere Reife nennt man das in Deutschland. Und zwar für alle und verpflichtend. Warum verpflichtend? Weil es eben Schichten gibt, die das aus verschiedenen Gründen nicht von sich aus tun. Mir persönlich bekannt sind Aussprüche wie : „Ich bin ein Arbeiter und mein Sohn wird auch einer werden“. Während dieser Standpunkt bei den bereits angekommenen Neu-Wienern schwindet (praktisch alle Wiener waren nicht immer hier, die meisten kommen von irgendwo). Die heutigen Migranten wurden in eine Welt versetzt, die noch nicht wirklich die ihre ist und die in Traditionen verhaftet sind, die bei uns eben direkt in die Arbeitslosigkeit führen.
Arbeitslosigkeit und Globalisierung
Ich selbst bin Nachrichtentechniker und in der Zeit. in der ich mein Studium begann, war Wien voll von Betrieben dieser Sparte: Goerz, Grundig, Hornyphon, Kapsch, Norma, Philips, Schrack, Siemens, Stuzzi. Siemens gibt es (noch) aber alle anderen sind verschwunden, marginalisiert oder wurden nach Fernost ausgelagert. Dieses mächtige Know-How, das hier bestanden hat, ist ähnlich wie Geld: es ist nicht weg, es ist anderswo. In Indien, Taiwan, China…, denn die Artikel, die früher hier bei uns hergestellt wurden, werden heute überwiegend in Fernost hergestellt, und die Jobs, oft auch niederwertige Jobs, die uns hier so sehr abgehen, sind mit dem Know-How verschwunden.
Und was für meine Sparte gilt, das erleben wir in vielen anderen Bereichen auch, Semperit ist auch so ein tragischer Betrieb.
Solange man Globalisierung als schick toleriert, Produkte in einem Erteil billig zu erzeugen und anderswo teuer zu verscherbeln, zählen wir nur zum Teil zu den Gewinnern. Ja, wir sind dazu verdammt, die Produkte zum hohen Preis zu kaufen, aber gleichzeitig auch dazu, dass alle die Arbeitsplätze, die mit diesen einstigen Paradeunternehmen verknüpft waren, sich auf die Reise rund um den Globus gemacht haben.
Genau in diesen Produktionsprozessen waren viele Arbeitsplätze, die auch von weniger gut ausgebildeten Personal erledigt werden konnten. Aber das ist Geschichte. Und was hat man dagegen gemacht? Bisher eigentlich nichts! Die Schulausbildung setzt noch immer auf das Duale Modell und entlässt Hauptschüler in die „freie Wildbahn“ des Arbeitsmarktes und findet sie umgehend am Arbeitsamt wieder.
In der Frage der Globalisierung sind wir wohl Passagier und müssen uns diesen Gegebenheiten fügen.
Was wir aber tun können, ist unser Schulsystem dieser neuen Realität anzupassen.
An dem Schulsystem doktern Rot und Schwarz schon lange herum aber derzeit rangeln sie nur um die Gesamtschule bis 14, eine länger dauernde Ausbildung steht derzeit auf keiner Agenda. Weil sie nicht auf die AMS-Statistik schauen und nur darauf, wie sie mit den Lehrern zurecht kommen.
Arbeitslosigkeit und Mindestsicherung
Von Arbeitslosigkeit zur Mindestsicherung ist kein weiter Weg. 2012 war der mittlere Arbeitslosenstand 260.643 Personen (Seite 18) und bezogen 2011 ca 193.000 Personen die Mindestsicherung.(Statistik-Austria). Es ist also eher die Regel, dass ein Arbeitsloser auch Bezieher der Mindestsicherung ist.
Wir wir schon aus den beiden ersten Statistiken über die Struktur der Arbeitslosen erfahren haben, ist diese Gruppe eher weniger gut ausgebildet und benötigt daher einfachere Jobs. Aber gerade diese Jobs sind uns durch die Globalisierung abhanden gekommen und werden durch den Zwang zu einem Mindestlohn in einem geregelten Arbeitsverhältnis auch noch verunmöglicht (siehe nächstes Kapitel), denn einfacherer Job hieße ja auch geringere Bezahlung, denn kalkuliert will ja jedes Arbeitsverhältnis werden.
Da aber Kollektivverträge einen geringeren Lohn in einer bestimmten Sparte nicht zulassen, kommt auch kein Unternehmer auf die Idee einen solchen Arbeitsplatz zu definieren.
Der Mindestlohn frisst einfache Jobs. Und gerade das wären die Jobs, die man für die Arbeitslosen brauchen würde.
Die Falle kommt aber erst in der Verkleidung der Mindestsicherung. Sie beträgt für Einzelpersonen 2013 794,91 inklusive Wohnbeihilfe (AK-Portal).
Eine Falle ist die Mindestsicherung, weil der Arbeitssuchende in der Regel unterqualifiziert ist und um überhaupt irgendwo Fuß zu fassen, werden ihm geringfügige Beschäftigungen zufallen. Wenn er aber eine dieser Beschäftigungen annimmt, bekommt er deshalb in Summe nicht mehr, weil für die Zeit des Zuverdiensts diesen von der Mindestsicherung abgezogen bekommt also unterm Strich immer denselben Betrag in der Tasche hat. Nicht sehr motivierend, oder?
Bekommt er einen „echten“ Job mit 40 Stunden vermittelt, dann gilt dasselbe, denn da er zu den wenig qualifizierten Menschen zählt, wird dieser Job sich auch in dieser Größenordnung von 800-1000 Euro bewegen, er wird also auch hier wenig Unterschied zur Mindestsicherung bemerken.
Wenn man also als Betroffener nüchtern die Vor- Nachteile der Mindestsicherung mit einem geringwertigen und schlecht bezahlten Job vergleicht, dann sagt der „Hausverstand“, dass sich der Job ja gar nicht rechnet, denn wegen der Hundert Euro, die man eventuell mehr bekommt, muss man 40 Stunden pro Woche arbeiten.
Also, wenn das keine Falle ist!
Man kann jemanden, der so (wenig idealistisch) kalkuliert, das ja nicht einmal vorwerfen, denn in jedem Arbeitsverhältnis ist man eigentlich immer dazu aufgefordert, seine Handlungen so zu optimieren, dass sie dem jeweiligen Arbeitgeber nützen. Wenn man also dasselbe in eigener Sache auch so macht, spricht das eigentlich nur für den „gesunden Menschenverstand“ des Arbeitssuchenden und muss nicht gleich als ein Ausnützen dieser Situation interpretiert werden. Die Situation nötigt einen Arbeitssuchenden ja geradezu, eine gering bezahlte Arbeit nicht anzunehmen, wenn das nur irgendwie geht (denn verpflichtet ist er ja dazu, jede zumutbare Arbeit anzunehmen).
Man sieht, dass die Mindestsicherung eher einem Arbeitsverhältnis entgegensteht und jemand, der in dieser Falle landet, nur sehr schwer wieder raus kommt. Es fehlen einfach die Anreize, denn der Arbeitslose bewirbt sich ja nicht um einen 2000 Euro-Job sondern um eine Arbeit, die nur wenig mehr ins Börsel bringt als die Mindestsicherung.
Noch etwas, was die Mindestsicherung immer begleitet, ist Schwarzarbeit. Arbeitslose, die Mindestsicherung beziehen, werden immer versuchen, eher durch Schwarzarbeit etwas dazuzuverdienen, als einen regulären Arbeitsplatz anzunehmen, denn durch Schwarzarbeit, kann das monatliche Einkommen deutlich gesteigert werden während es bei einer regulären Arbeit bei geringer Qualifikation nur wenig höher ist.
Was kann man also tun?
Aus dieser Falle scheint es für mich nur einen einzigen Ausweg zu geben (und es gibt genug Proponenten für ein solches System) nämlich ein bedingungsloses Grundgehalt für alle.
Für ein solches Grundgehalt spricht: Menschenwürdiges Leben benötigt einen gewissen monatlichen Geldbetrag „pro Mensch“. Daher sollte dieser Geldbetrag auch tatsächlich jedem zustehen, egal ob er arm oder reich ist. Es entfällt dann sofort jede Überprüfung, ob der- oder diejenige etwas besitzt oder nicht. Es entfällt auch die Frage, wie man Hausarbeit abgelten könnte, was derzeit nicht erfolgt aber die Stellung (meist) der Frau in der Familie niedriger stuft als die des arbeitenden Ehemanns (in Familien mit einem Alleinverdiener). Es entfällt das Kindergeld. Auch die Pension ist in einem solchen Modell einbeziehbar. In der Schweiz bekommen alle Pensionisten eine Einheitspension, etwas, was eben auch mit dem Grundgehalt zu erschlagen ist. Der Grundgehalt ist eben für alle da.
Und das Grundgehalt befreit auch aus der Falle der Mindestsicherung.
Das Grundgehalt ist keine soziale Hängematte. Jede Stunde, die man dazu verdient wird voll bezahlt und besteuert und wird nicht wie bei der Mindestsicherung von dieser abgezogen. Auch wenn man nur ein paar Stunden im Monat dazuverdient, verdient man das Geld dazu und es wird nicht irgendwo gegengerechnet. Das AMS weist keine Gelder an, das Sozialamt muss nichts prüfen, weil ohnehin jeder dasselbe bekommt.
Natürlich bleibt bei einer solchen Maßnahme kein Stein auf dem anderen. Es hätte weitreichende Auswirkungen auf die eingefahrenen Lohnsysteme, Versicherungen,.. auf alles. Und das ganze Land wäre bei einem solchen Gewaltakt gefordert.
Ein Kanzler, der sich für Arbeitsplätze einsetzt, müsste sich also gegen die Arbeitsplatzbremse „Mindestsicherung“ und für den Arbeitsmotivator „Grundgehalt“ einsetzen.
Arbeitslosigkeit und Mindestlohn
In Österreich gibt es keinen einheitlichen Mindestlohn. In einem Dokument der SozialpolitikDatenbank finden wir einen Vorschlag der Grünen, dass man 1100 Euro als Mindestlohn definieren sollte. Im AMS-Gehaltskompass kann man für einzelne Berufsgruppen Kollektivlöhne finden, die etwa bei 1000 Euro beginnen. So weit auseinander sind also die Vorstellungen nicht. Ich verwende daher diesen Begriff Mindestlohn, weil’s einfacher ist.
Wir bestreiten unseren Lebensunterhalt ausschließlich durch ein Arbeitsverhältnis (um die Selbständigen müssen wir uns hier nicht kümmern). Bei dem österreichischen Preisniveau ist eben ein gewisses Minimum zum Leben nötig, sagen wir einmal 1000 Euro netto. Und daher muss für die niederwertigste Beschäftigung eben etwa 1000 Euro bezahlt werden, damit der Arbeitnehmer über die Runden kommt. Ein Kollektivlohn oder Mindestlohn.
Diese Vorgabe hat zwei Auswirkungen:
Die positive Wirkung des Mindestlohns ist, dass jemand, der angestellt ist, mit dieser Lohnzahlung von mindestens 1000 Euro auch leben kann.
Es gibt aber auch die negative Auswirkungen.
Einmal die, dass der Arbeitgeber soviel von seinem Abgestellten abverlangen muss, dass sich diese 1000 Euro auch rechnen.
Dass der Arbeitgeber geringerwertige Arbeiten einem geringer qualifizierten Mitarbeiter überlässt, ist bei Beibehaltung des Mindestlohns nicht wirtschaftlich. Die Arbeit hat einen geringeren Wert als es dem Kollektivlohn entspricht.
Daher werden alle Arbeiten, die einen geringeren Wert entsprechen entweder gar nicht gemacht oder den Kollektivlohnempfängern übertragen, wodurch diese noch mehr unter Druck geraten.
Das Mindestlohnsystem setzt also die Mitarbeiter unter einen gewissen Druck, dass ihre Arbeit auch tatsächlich dem Wert diese Mindestlohns entsprechen muss und erzeugt auf der anderen Seite einen Arbeitslosen, weil die einfachere Arbeit, die er durchaus ausführen könnte, unter dem Mindestlohn bezahlt werden müsste, was aber nicht erlaubt ist.
Beispiel: Eine Großtankstelle will ein neues Service anbieten. Ein Wagen wird von einem Mitarbeiter, der eigens dazu angestellt ist, innen und außen gewaschen. Da man die Kundenfrequenz kennt, kann man die Kosten für Einrichtungen, Verbrauchsmaterial und Personal einfach kalkulieren. Gewinn muss ja auch herausschauen und siehe da, das würde sich erst bei einem Gehalt von – sagen wir – maximal 700 Euro rechnen. Die Folge: diese Tätigkeit gibt es entweder nicht oder sie wird von einem ohnehin angestellten, höher qualifizierten Tankwarte/Mechaniker erledigt. Wir haben also einen überlasteten, weil mit zusätzlichen Aufgaben und vielleicht auch Überstunden überhäuften aber ausreichend bezahlten Tankwart auf der einen und einen Arbeitslosen, denn von den 800 Euro die er bekäme, kann er entweder nicht leben oder er will die Tätigkeit wegen der fast ebenso hohen Leistung aus der Mindestsicherung nicht ausführen.
Ich behaupte:
Mindestlohn vernichtet einfache Arbeitsplätze in großer Zahl und führt zur Überbeanspruchung einer großen Zahl von vollbeschäftigten Angestellten, die diese niederschwelligen Arbeiten umgehängt bekommen, weil irgendwer muss sie ja tun.
Was muss daher ein Kanzler tun, der „um jeden Arbeitsplatz kämpft“? Er muss dafür sorgen, dass niederschwellige Arbeitsplätze entstehen können, denn genau die sind gefragt. Arbeitsplätze, die vom Arbeitgeber ihrem geringeren Wert entsprechend geringer bezahlt werden und die dennoch dem Beschäftigten gleichzeitig einen Mindestlohn garantieren. Unlösbar? Glaube ich nicht, aber man muss einige „eigene Schatten überspringen“ und über sich uns seine Ideologie hinauswachsen.
Arbeitslosigkeit und niederschwellige Arbeitsverhältnisse
In einem unregulierten Arbeitsmarkt, also einem solchen ohne Mindestlöhne und Gehaltstabellen, kann es und wird es auch zu Arbeitsverhältnissen kommen, die unter dem heutigen Mindestlohn liegen. Aber natürlich kann man davon nicht leben. Die logische Folge wären Armut, Kriminalität, Ghetto-Bildung und vieles mehr, alles Dinge, die sich niemand wünscht.
Durch die Festsetzung von Mindestlöhnen zwingt man aber den Arbeitgeber von seinen Angestellten eine Art Mindestleistung zu verlangen, eben eine solche, die diesen Mindestlohn wert ist. Und genau diese Hürde können oft weniger gut ausgebildete Arbeitssuchende nicht überspringen. Sie würden selbstverständlich auch gerne arbeiten, können aber nur etwas leisten was für den Arbeitgeber einen geringeren Wert hat als es dem Mindestlohn entspricht.
Dass sie in der Falle „Mindestsicherung“ landen, erweckt bei dem Rest der Bevölkerung den Eindruck, als wären sie so etwas wie Sozialschmarotzer aber sie befinden sich in einer Falle, aus der nur sehr schwer rauszukommen ist.
Diesen Menschen hat man mit dem Mindestlohn die Arbeitsmöglichkeit genommen, weil ja der Arbeitgeber keine geringer entlohnte Arbeit anbieten darf.
Da aber der Sozialstaat selbst den Mindestlohn eingeführt hat, also eine der Ursachen für die fehlenden Arbeitsplätze für Nur-PflichtschulabsoventInnen, sollte er dessen Nachteil beseitigen, ohne gleichzeitig an der Errungenschaft des Mindestlohns zu rütteln.
Derzeit geschieht das nicht.
Ein Kanzler, der sich auf die Fahnen schreibt, dass er um Arbeitsplätze kämpft, müsste daher etwa folgendes Modell anstreben:
Der Arbeitgeber wird vom AMS eingeladen, sich zu überlegen, ob er niederschwellige Arbeitsplätze (unterhalb des Kollektivvertrags) anbieten könnte, zum Beispiel mit einem Monatslohn von 700 Euro. Das reicht einem Arbeitssuchenden nicht für eine vollwertige Bezahlung. Daher zahlt das AMS dem Arbeitgeber den Rest auf den Mindestlohn für den Fall, dass der Arbeitgeber einen Arbeitssuchenden aus der Schar der Arbeitslosen an diesen Arbeitsplatz bindet. Diese Vereinbarung gilt immer nur für diesen einen Arbeitslosen und diesen einen Arbeitsplatz. Diese Stützung des Lohns erfolgt nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Die Lohnliste sieht auch für diesen „besonderen“ Arbeitnehmer denselben Lohn wie einem voll qualifizierten Mitarbeiter. Formal bekommt er daher den Kollektivlohn, der aber in diesem Fall vom Arbeitsamt unterstützt wird.
Ich habe keine Angst, dass man das all zu sehr ausnutzt, denn diese Regelung dürfte tatsächlich nur auf die Schar der weniger qualifizierten Arbeitssuchenden angewendet werden.
- Der Vorteil für den Arbeitgebers: er kann legal Arbeitsplätze definieren, die unter dem Kollektivlohn bezahlt werden
- Der Vorteil für Das AMS/Sozialamt: es bezahlt ab sofort nur mehr die Differenz vom Kollektivlohn auf den vereinbarten geringeren Monatslohn
- Der Vorteil für den Arbeitssuchenden: Er bekommt deutlich mehr als nur aus der Mindestsicherung und ist dieser Falle (hoffentlich) endgültig entkommen. Sein Ziel wäre, durch Ausbildungsmaßnahmen dieser Bindung auf den geringerwertigen Arbeitsplatz zu entkommen, und den Platz für den nächsten Bewerber frei zu machen.
- Der Vorteil für andere Arbeitnehmer: sie werden durch den neuen Kollegen entlastet, weil dieser ihnen gewisse Arbeiten abnehmen kann, die sie vorher einfach miterledigen mussten.
Es wird in aller Interesse liegen, den frisch gebackenen Arbeitnehmer während seiner Tätigkeit weiter auszubilden, um ihn vielleicht irgendwann aus der „Stütze“ weg zu bekommen. Solche Motivatoren sind gefragt.
Bitte und nicht sagen „das geht nicht, das kostet zu viel“, denn wenn die betroffenen Arbeitslosen in der Mindestsicherungs-Falle landen, dann kosten sie pro Monat weit mehr.
Es gibt bereits Ansätze zu einem solchen Modell mit dem Namen „Einstiegsförderung“ aber mir erscheinen diese Modelle zu halbherzig und zu vage formuliert, weil sie von vornherein signalisieren, dass sie diese Förderung nach einer vereinbarten Zeit auslaufen lassen. Wenn wir aber an den Wagenwäscher denken, dann hat sich der Wert seiner Arbeit nach einem Jahr auch nicht erhöht aber die Förderung bleibt bei diesem Modell dann aus, mit der Folge, dass er gekündigt wird. und das ist auch so in der Praxis. Der Betrieb kassiert die Einstiegsförderung und dann geht das Spiel von vorne wieder los.
Arbeitslosigkeit und Migration
Die Versäumnisse reichen weit zurück und man kann die Migration in diesem kurzen Aufsatz nur ansatzweise betrachten.
In der Phase der EU-Integration als unsere Nachbarländer zur EU beitraten, standen beide Großparteien auf der Arbeitsplatzbremse und stemmten sich gegen ein Lohndumping aus diesen Ländern und verhinderten dadurch Migration aus uns kulturell und historisch sehr nahe stehenden Gegenden. Stattdessen erfolgte starker Zuzug von Menschen, deren Kultur uns eher fremd ist. Irgendwie unkontrolliert erfolgte das alles. Praktisch ein vorprogrammierter Konflikt.
Aber Jammern hilft hier nichts, diese Fehler sind passiert und jetzt muss man das Beste aus der Situation machen.
Gehen wir einmal ins Arbeitsamt Laxenburgerstraße, wo ich mit meinem Sohn manchmal zu Besuch bin. Die am Anfang angegebene Statistik enthält noch eine weitere (hinter den Zahlen verborgene) Komponente: die meisten der wenig ausgebildeten Arbeitslosen hier in Favoriten sind Migranten.
Warum das so ist? Weil sie in eine Welt katapultiert worden sind, die nicht die ihre ist. Sie wissen nicht, was man hier von ihnen erwartet. Sie leben ihr anatolisches, balkanesisches oder kaukasisches Leben weiter, im Sinne von Pflichtschule „und Tschüss“. Sie stellen daher einen Großteil der Arbeitslosen, zumindest hier in Favoriten.
Wir haben uns einfach zu wenig um sie gekümmert, würde ich sagen. Und wir tun es immer noch, wir behandeln sie schlecht. Statt den Migranten die beste Ausbildung zukommen zu lassen, damit sie sich hier wohlfühlen und später einen gleichen Beitrag wie alle anderen leisten zu können, lassen wir es zu, dass ihre Kinder nur mit Hauptschulabschluss ankommen.
Wir rauben ihren Kindern die Identität, indem wir sie nicht ihre Muttersprache erlernen lassen, sondern sie mit sechs Jahren mit einer für sie (noch) Fremdsprache konfrontieren.
Und dabei gibt es funktionierende Modelle sprachlicher Minderheiten in Österreich, die zeigen, wie es richtig gemacht wird. Zum Beispiel die der Kärntner Slowenen, der Burgenlandkroaten oder die der Wiener Tschechen.
Insbesondere bei der letzteren Gruppe fühle ich mich zuständig. Die Kinder der Tschechen in Wien besuchen seit Hundert Jahren eine tschechische (nicht eine deutsche) Schule. Sie werden dort in tschechischer Sprache in einem Ganztagsschulmodell unterrichtet. Diese Volksschule hat aber einen Deutschunterricht, der das Ziel hat, dass die Kinder mit 10 Jahren in jede beliebige deutschsprachige Schule wechseln können. Sie können aber auch in der Tschechischen Schule bleiben und dort maturieren, auch in tschechischer Sprache, versteht sich. Da ich selbst einer dieser Absolventen bin und immer noch Tschechisch spreche konnte ich diese Sprache in einigen sehr positiven geschäftlichen Kontakten nach Tschechien und in die Slowakei bis heute verwenden.
Nun kann man dieses Modell nicht auf alle Migranten übertragen, es erfordert, dass es eine gewisse Mindestgröße der Sprachgruppe gibt. Man muss auch erwähnen, dass die tschechischen Schulen von der Tschechischen Republik finanziert werden, etwas, was man mit der Türkei erst ausverhandeln müsste.
Dieses tschechische Modell existiert – von der breiten Öffentlichkeit völlig unbemerkt- seit dem Ende des Ersten Weltkriegs. Es war aber nicht immer so friktionsfrei. Während der Monarchie gab es ziemliche Kämpfe um diesen Schulbetrieb und die Tschechen mussten ihre Schulen oft in (tschechischen) Gasthäusern unterbringen, weil sie in den Tagen der Nationalismen von den Anhängern Luegers oft handgreiflich angegriffen wurden. Die Reden des damaligen Bürgermeisters Lueger, sofern sie sich auf die Tschechen in Wien bezogen haben, hatten eine große Ähnlichkeit mit jenen des HC von heute. Das sollte uns aber nicht beirren, sondern man sollte die außergewöhnlich fruchtbare Entwicklung dieser Tschechischen Schulen in der Zwischenkriegszeit betrachten, die man sich in einer türkischen Version ebenso gut vorstellen kann.
Man bedenke allein den Vorteil, dass die derzeitige Situation in manchen Wiener Volks- und Hauptschulen mit einem extremen Migrantenanteil tatsächlich für die wenigen deutsch-stämmigen Kinder eine Zumutung ist. Sie ist aber auch eine Zumutung für die türkischen Kinder, denn die müssen hier zwei Lernprozesse gleichzeitig ablaufen lassen. Den gerade unterrichteten Gegenstand und die deutsche Sprache.
Wer ein bisschen in die Entwicklung dieser Beispiel-Schulen zurückschauen will, kann den weitergehenden Artikel „Tschechen in Wien“ lesen.
Das Maximum an Leistung kann man dann von jemandem herausholen, wenn man ihn seinen Möglichkeiten entsprechend vorher bestmöglich ausbildet. Wer weiß, ob nicht viel mehr Migranten eine Matura anstreben würden, wenn man ihnen ermöglicht, die Matura in ihrer Sprache abzulegen, also ähnlich wie man üblicherweise in Französisch maturiert und eben die Möglichkeit hat, dasselbe in Türkisch tut.
Franzosen, die in Wien leben, besuchen das französische Lyzeum, Kinder von Botschaftspersonal oft englischsprachige Schulen. Warum sollten das Türken nicht in Türkisch oder Serben nicht in Serbisch tun dürfen? Das „Goldene Wienerherz“ ist dagegen.
Stellen wir uns einfach vor, wir selbst migrieren nach „irgendwo“, dort wo „irgendeine“ für uns fremde Sprache gesprochen wird und wir können dort unser Kind in eine Schule geben, wo von den Lehrern Deutsch gesprochen wird, mit der Zusicherung, dass unser Kind nach vier Jahren Volksschule auch die „irgendeine“ Sprache gut erlernen wird. Man fühlt sich wie zuhause. Genau so war das Gefühl, als ich in die Volksschule am Sebastianplatz ging. Ich kam von einer ausschließlich tschechisch sprechenden Familie in eine Schule mit tschechisch sprechenden Lehrern. Und der Übertritt in eine AHS mit 10 Jahren war kein Problem. Niemand in meiner späteren Klasse hat auch nur gewusst oder irgendwie registriert, dass ich von einer fremdsprachigen Schule gekommen wäre.
Weil das aber derzeit unseren heutigen Migranten nicht ermöglicht wird, haben die Migranten gegenüber dem Schulsystem ein Misstrauen, das sie bereits von ihren Ursprungsländern mitbringen und das sie hier bestätigt finden.
Weil aber alles das versäumt wurde und man aus einem mir sich nicht erschließenden Grund in „islamische“ und „jüdische“ statt in „“türkische“ und „serbische“ Schulen investiert, ist offenbar der Zug der Vernunft in dieser Frage abgefahren.
Dann hilft in dieser Ausbildungsfrage nur mehr die Maßnahme, das minimale Ausbildungsalter für alle Schüler auf 17 Jahre anzuheben.
Ein Kanzler, der eine Verringerung der Arbeitslosenrate herbeiführen will, kann also aus der Sicht der Migration entweder die Ausbildung dieser Gruppen durch muttersprachlichen Unterricht fördern und diese damit zu einer AHS-Ausbildung motivieren oder/und das bereits im ersten Punkt „Arbeitslosigkeit und Bildung“ angesprochene Modell der Ausbildung bis 17 auf seine Fahnen heften.
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