In diesem Haus Lorystraße 17 wohnten gleich mehrere meiner Verwandten. Im zweiten Stock auf Tür 17 Tante Milly, eine Cousine meiner Mutter, im dritten Stock auf Tür 25 Tante Hanni, eine frühere Mitarbeiterin meiner Großmutter und auf Tür 23 Familie Klíma. Herr Klíma war ein Schwager meiner Großmutter. Seine erste Frau, meine Großtante Božena, war verstorben und er lebte noch auf derselben Wohnung mit seiner zweiten Frau Silva, beide waren sie Wiener Tschechen. Ich war also bestens versorgt, was mögliche Unterbringungsmöglichkeiten betraf. Eine größere Distanz bestand zu den Klíma. Weiters wohnte auch mein Onkel Richard Tušl auf der Wohnung Nummer 18. Er ist aber später in die Geiselbergstraße ausgezogen. Nach dem Tod von Frau Kratochvil im Erdgeschoß hat meine Mutter diese Wohnung meinem Cousin Friedrich Tůma überlassen.

Interessant ist auch, wie meine Großmutter zu dieser Wohnung in der Lorystraße 17/7 kam, denn vorher wohnte sie in der Grillgasse 38 neben in der ans Geschäft angrenzenden Ergeschoßwohnung.

Der Erwerb des Hauses in der Lorystraße 17 liegt im Dunkeln. Fest steht, dass meine Großeltern nach ihrer Heirat zuerst in der Sedlitzkygasse, später dann neben ihrem Geschäft in der Herbortgasse 25 gewohnt haben.

In unserer späteren Wohnung Nummer 7 wohnte bis 1938 der Schuldirektor der Brehmschule, Herr Patloch mit seiner Frau. Diese Schule war bis 1938 eine tschechische Schule, die auch meine Mutter besuchte. Die tschechischen Schulen wurden aber mit dem Hitlereinmarsch in deutsche Schulen umgewandelt und die tschechischen Lehrer entlassen. Das passierte auch Herrn Patloch und damals übersiedelte er in die Billrothstraße im 19. Bezirk. Dieser Umzug von Herrn Patloch und auch der Umzug meiner Großmutter in die Lorystraße 17/7 erfolgten auf Anordnung der NSDAP, die Wohnung in der Grillgasse 38 neben dem Geschäft wurde dem Parteigenossen Hepter überlassen auf dessen Betreiben diese Umsiedelungsaktion überhaupt durchgeführt wurde. Sein Vorteil war, dass er die Wohnung meiner Großeltern als Geschäftslokal nutzen konnte.

Zwischen den Patloch und meinen Großeltern bestand eine gute Freundschaft, vielleicht gerade wegen der gemeinsamen äußeren Feinde. Die Patloch besuchten uns oft in unserem Garten in Kritzendorf.

Die Wohnung in der Lorystraße 17/7 war ziemlich kalt. Unterhalb befand sich der Keller und rundherum war eine freistehende Hausmauer. Anfangs mit einem Kanonenofen beheizt – oft nur während der Weihnachtsfeiertage. Als dann die Wohnung Tür 8 dazukam, kaufte meine Mutter einen Meller Kachelofen. Mit einem Durchbruch in der Wand sollten gleichzeitig beide Zimmer von Tür 7 beheizt werden. So ein Ofen will aber auch richtig bedient werden. Unter meine Obhut neigte der Ofen zum Verschlacken und man musste ihn nach etwa einer Betriebswoche ausräumen und danach neu beheizen.

Mein Job war es, den Koks in zwei Kübeln aus dem Keller zu holen.

Die Wohnung war dunkel und die Fenster waren auf eine Wiese des Nachbargrundstücks gerichtet. Wie dunkel aber diese Wohnung vor dem Krieg gewesen sein muss, kann man nur erahnen, denn dort, wo eine Wiese war, war vorher ein ebenso dreistöckiges Wohnhaus, das während des Bombenkriegs über Wien zerstört worden war.

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