Österreichische Maßeinheiten
Ich wage zu behaupten, dass es keine Sprache gibt, die so unverbindliche Maßeinheiten hervorgebracht hat, wie die Österreichische.
An der Aufforderung: noch ein Wengerl (ein Wengerl sitzen, ein Wengerl da zu bleiben, noch ein Wengerl lustig sein) finden wir gar nichts Bemerkenswertes mehr, noch dazu wo sich dieses Wengerl auch ausreichend von „ein Wenig“ herrührend erklären lässt.
Dass ein Weg breit ist, wenn er lang ist, wundert auch keinen mehr: „Heast, wo woast denn? – Na des woar a brader Weg!“
Dass man endlos wartet und ewig nicht dran kommt, auch daran hat man sich gewöhnt. Ja selbst, dass jemand bei einem auf einen Hupfer vorbeischaut, wird in den seltensten Fällen missverstanden und stört selbst nach zwei Stunden noch niemanden.
Schwieriger wird es dann, wenn jemand um ein Euzerl daneben liegt. Kann man zum Beispiel auch um zwei Euzerl daneben liegen? Waren in grauer Vorzeit einmal 10 Euzerl 1 Euz?
Um welche Menge handelt es sich wirklich wenn jemand sagt: „Ich bin den ganzen Nachmittag eine Stunde herumgerannt. I war in 97 Gschäftln, hab 17 Sakkos in 100 verschiedenen Größen probiert. Kein einziges hot ma passt, bis auf zwa, san gar net so schlecht. I hab a Lawine zahlt und bin fix und fertig, weil überall a ganzer Oasch voll Leut woar!“
Wie viele Leute gehen da wohl hinein? Ja, wenn besagter Körperteil einer einflussreichen Persönlichkeit gehört, wie viele san scho drin?
Wann wird aus einem Tröpferl ein Tropfen? Wann daraus ein Schluckerl? Wann kann man von einem Glaserl sprechen? Bitte, dass ein Flascherl Wein in Österreich meistens ein Doppelliter ist, darf allerdings als bekannt vorausgesetzt werden.
Jedoch, wie groß ist ein Futzerl? Wann mutiert es zum Eckerl? Wann zum Stückerl? Welche Ausdehnung muss ein Körper haben, dass wir ihn in der Folge als Trumm, oder gar als Mordstrumm bezeichnen können?
Wie viel ist ein bissi? Bissi ist besonders heikel, weil man bissi so ambivalent verwenden kann. Zum Beispiel: „Na is a bissi vü!“ oder aber auch: „Na is a bissi wenig!“ „Bist ein bissi deppert.“ Trägt noch ein harmloses, fast liebenswertes Irresein in sich. Während: „Du bist, mir scheint, a bissi deppert!“ bereits auf ernsthaft gestörte Geisteszustände hinweisen möchte.
Die Bereitschaft zur physischen Attacke drückt diese dann nur noch mehr durch die rhetorisch gestellte Frage aus, wenn sie unter Weglassung sämtlicher Zischlaute gestellt wird, denn: „Heast bid a bidl debad!“ „A bidl“ das kann man gar nicht anders als drohend sagen.
Alle diese Beiläufigkeiten sind in ihrer Ungenauigkeit keine fixen Größen, aber als Österreicher lebt man mit ihnen. Wahrscheinlich könnten Etymologen unter zu Hilfenahme diverser Lautverschiebungen ihre Herkunft einigermaßen klären.
Anthropologen werden unter Hervorkramen alter Sitten und Gebräuche weiter Klarheit schaffen können, egal ob es sich um ein Trumm, ein Eckhaus oder ein Futzerl handelt.
Aber NIEMAND, NIEMAND kann erklären von wo es kommt oder gar von welchem Brauch es sich ableitet, dass wenn jemand gefragt wird, ob er beispielsweise seinen Zug erwischt hätte, dieser dann antworten kann:
„Oba ums Oaschleckn net!“
Verfasser: Joesi Prokopetz
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