Das Nachmittagsturnen der Buben fand in der Unterstufe der Realschule auf der Birkenwiese im Prater statt und wenn ich mich nicht irre, für die Mädchen auf der Wasserwiese. Wir fuhren mit der Straßenbahnlinie 106 von der Krausegasse zur Gasbrücke am Donaukanal und dann mit der Straßenbahnlinie 80, die das Lusthaus mit der Stadionbrücke verbunden hat, eine Station zur Sportanlage Birkenwiese.
Auf der Birkenwiese fand in den Sechziger-Jahren ein einziges Nationalliga-Spiel statt und zwar zwischen Rapid und Kapfenberg.
Der Nachhause-Weg von der Birkenwiese nach Simmering führte uns (Albert, Karl und mich) über den Gassteg an Gstetten, Werkstätten und Bauernhäusern vorbei über die Geleise der Schlachthausbahn in die Pachmayergasse (Karl), die Zippererstraße (Albert). Ich musste ein bisschen weiter bis zur Lorystraße gehen.
Bei meinen fallweisen Radausflügen zu Trainings von Rapid oder zu Spielen im Prater fuhr ich entlang unseres früheren Weges über den Gassteg. Nichts ist mehr so wie damals, nur die Gasometer erinnern an ein spannendes Jahrhundert Technikgeschichte. Bei der Suche nach dem geeignetsten Radweg fand ich bei der Litfaßstraße einen romantischen Graben, der so gar nicht in das umgebende Stadtbild passte. Bis ich dann schließlich draufkam, dass dieser Graben die Trasse der ehemaligen Schlachthausbahn war, die wir seinerzeit als Kinder überquert haben und die uns dann in der Oberstufe als Kulisse für ein Foto der Band „Fireballs“ gedient hat, das am Schluss dieses Artikels zu finden ist.
Ich bin als Kind mit meinem Großvater viel „Am Kanal“ spaziert, einem Weg der ganz Simmering durchquerte. Damals gab es auf der Höhe des Friedhofs St. Marx noch einen sichtbaren Graben, der teilweise noch Wasser enthalten hat.
Diesen markanten Größen, der „Schlachthausbahn“, das „Gaswerk“ und dem „Kanal“ bin ich an Hand alter Karten gefolgt.
Der Kanal
Quer durch Simmering verlief im 19. Jahrhundert der Wiener Neustädter Kanal und dessen damaliger Verlauf wird heute durch den Weg „Am Kanal“ markiert. Entlang dieses Wegs verläuft die Aspang-Bahn, heute auch die Schnellbahn zum Flughafen und weiter nach Hainburg.
1848
Dieser Kanal war durch eine Kette von Schleußen mit dem Donaukanal über die heutige Trasse der Schnellbahn verbunden:
Auf diesem Plan aus dem Jahr 1848 gibt es noch die Stadtmauer, das Glacis und auch den Linien-Wall (gezackte Linie auf der Höhe des Süd/Ost-Bahnhofs), den späteren Gürtel.
Rechts neben der Stadtmauer aut der Höhe der Stubentors ist ein Hafen zu erkennen, und von dort verläuft ein Gerinne bis zum späteren Aspangbahnhof und dann weiter durch ganz Simmering.
Weil aber diese Wasserstraße zu wenig bedeutend war, wurde dieser Schleußenabschnitt durch die so genannte „Verbindungsbahn“, die heutige Schnellbahn ersetzt, eine Verbindung zwischen dem Praterstern und dem Südbahnhof.
Der Hafen wurde hinauf zum späteren Aspangbahnhofsgelände verlegt, bis der Kanal dann schließlich gänzlich still gelegt wurde. Heute erinnert die „Hafengasse“ an diesen Hafen.
1880
Es gibt schon den Viehmarkt in St. Marx. Der Döblerhof ist etwa dort, wo später das Gaswerk ensteht. Die „Seeschlacht“ ist ein Gewässer am Bahndamm zwischen Kopalgasse und Krausegasse. Die roten und blauen Linien sind projektierte Straßenbahnlinien. Unser Haus in der Lorystraße existiert noch nicht aber die Struktur der Hauffgasse ist schon erkennbar. Der „Kanal“ ist gut erkennbar, Er endet in einem Hafen auf dem Gelände, wo später dann der Aspangbahnhof hinter St. Marx errichtet wird.
1888
Dieser Plan ist nicht korrekt genordet, die Donau verläuft in diesem Plan von links nach rechts. Man sieht, dass in diesen Jahren die „Schlachthaus-Bahn“ errichtet wurde.
1890
Hier sieht man, wie die Stadtplaner die Stadt projektiert haben. Die Lorystraße ist schon angelegt, die Gottschalkgasse (oder die Grillgasse) dürfte hier noch Feldgasse heißen.
1901
Do geht wos weida!
Gaswerk existiert bereits am Grund des früheren Döblerhofs. Unser Haus in der Lorystra0e 17 ist noch eine Baulücke. Aber nicht mehr lang, unser Haus wird im Jahr 1905 errichtet. Die frühere Seeschlacht ist jetzt die Rappachgasse. Das Bräuhaus ist schon erkennbar.
Viele projektierte Flächen sind solche geblieben.
1929
Hier ist Simmering schon so wie wir es damals in den 60er Jahren kannten. Interessant ist der Sportplatz beim St. Marxer Friedhof. Wie mir Susi erzählt hat, ist sie als Kind dorthin (auf den Simmeringer Platz) gegangen, der dann erst später in die Simmeringer Hauptstraße übersiedelt ist.
Als Fußballfan verweise ich auf ein Länderspiel Österreich-Deutschland am 26.9.1920 (übrigens das erste Länderspiel unter dem legendären Hugo Meisl), das am Simmeringer Platz ausgetragen wurde und das 3:2 für Österreich endete. Österreich spielte übrigens nicht als „Österreich“ sondern als Niederösterreichische Auswahl. Der österreichische Fußball war damals sehr Wien-zentriert.
2015
Im Zuge der Auflassung des Schlachthofes, ist auch die Schlachthausbahn abgetragen worden aber der Verlauf der Häuser in der Urschenböckgasse verweist noch auf ihren ehemaligen Verlauf. Der rote Strich ist etwa die Stelle, wo wir den Bahndamm Richtung Simmering überquert haben und der rote Kreis markiert etwa die Stelle, an der das nachfolgende Foto entstanden ist.
In meiner Chronik steht 1966 aber ganz sicher bin ich da nicht. Albert, Sündermann, Karl, Franz, auf den Gleisen der ehemaligen Schlachthausbahn.