Wir spielten im Winter/Frühjahr 1969 mit den Scotties in der Tenne in der Wiener Annagasse beim 5-Uhr-Tee.
Dort sprach mich Ernst Siegel an, den ich von einer befreundeten Band kannte. Er schlug mir vor, mit einer Profiband auf Tournee zu gehen. Dieser Profiformation hat eben ein Musiker gefehlt, ein Bassist und der sollte ich sein.
Dieser Vorschlag traf zusammen mit einer Phase in meinem Studium, wo ich ein Labor abbrechen musste, weil mir die notwendige Praxis fehlte. Und meine Situation war die eines Arbeitslosen, denn die Übungen an der Hochschule liefen ohne meine Beteiligung ab, ich bin dort im November/Dezember freiwillig ausgeschieden.
Dieses Angebot war für mich wie ein rettender Ausweg aus dieser Sackgasse. Etwas ganz anderes tun, statt in der hoffnungslos scheinenden Laborsituation weiter zu wursteln.
Ich habe mich gegen den weiteren Verbleib bei den „Scotties“ entschieden und startete mit den „Sunsets“ zuerst eine intensive Übungsphase und danach, im Juli 1969 im Cafe Auracher in Kufstein.
Wir waren vier:
- Gerhard (Gery) Czapek, Farfisa-Orgel
- Franz Fiala, Fender-Jazz-Bass
- Ernst Siegel, Schlagzeug
- Günter Weinhold, Gitarre
Es begann in einem schlecht besuchten Lokal in Kufstein. Ein Highlight war, dass unser Orgelspieler Gerry seine Frau in Lignano besuchen wollte und ich sollte als Beifahrer mitkommen, damit er während der langen Fahrt nicht einschläft. So war es dann auch, und wir fuhren gleich nach unserem Auftritt los. Das Besondere an dieser Nacht: es war der Höhepunkt der Mondlandemission am 20. Juli 1969.
Aber wir hatten Glück, denn im Hauptlokal des Eigentümers, im Auracher Löchl ist die Band ausgefallen und die letzte Woche spielten wir dann im gut besuchten Stadtlokal.
Danach folgte ein Engagement im Hotel Maria Theresia in Innsbruck. Die Fenster meines Zimmers führten genau auf den Hauptplatz mit der Mariensäule.
Dann folgten Monate in Amberg und in Reutte, dann war Urlaub mit Tonaufnahmen. Eine dieser Aufnahmen habe ich in YouTube gepostet.
Im Dezember gab es ein Kurzengagement in Zirl, wo wir gemeinsam mit dem berühmten schweizer Trio, den „Nilsen Brothers“ in der Fortuna Bar aufgetreten sind. Deren bekannteste Lieder sind „Aber Dich, gibt’s nur einmal für mich“ und „Tom Dooley“.
Unser längstes Engagement war im Winter 1970 in Ehrwald in Tirol. Wir spielten in einem nur im Winter bewirtschafteten Lokal. Mit uns engagiert war auch ein Koch, der für unser leibliches Wohl sorgte.
In diese Zeit in Ehrwald fielen drei wichtige Ereignisse:
- ich machte meinen Führerschein
- ich lernte Schi fahren
- ich ließ bei einem Zahnarzt meine sehr schlechten Zähe reparieren
Die Vorbereitung zur Führerscheinprüfung fand im Dorfwirtshaus statt, um 19:00. Da unser Auftritt aber um 20:00 begann, konnte ich nicht den ganzen Kurs besuchen. Man kann sich vorstellen, wie sich der Fahrschullehrer gegenüber einem Wiener verhalten hat. Aber schließlich habe ich die Prüfung bestanden. Die Fahrt bestand darin, dass ein Kandidat mit dem Wagen von Ehrwald nach Bieberwier fuhr und dort umdrehte, und der andere zurückfuhr und in Ehrwald umdrehte. Das war’s!
Das Schifahren-Lernen verlief so: man stelle mich zu Mittag auf Schi und ich fuhr mit Gery den längsten Schilift am Abhang der Zugspitze hinauf. Das funktionierte noch. Dann ist Gery runter gefahren und ich stand oben. Am späteren Nachmittag war ich auch unten. Alles war nass. Kein besonders durchschlagender Erfolg. Da aber die Tage mit wenig „Action“ ausgefüllt waren, ging ich immer wieder an den Nachmittagen zum viel einfacheren „Sonnenhang“ und fuhr immer wieder runter. Bezahlen musste ich nicht, als Musiker gehörte ich irgendwie zum Ort dazu. Und nach all diesen Übungsfahrten habe ich es dann geschafft, auch auf die Ehrwalder Alm und dann auch zu „Stütze 4“ der Zugspitzbahn zu fahren von von dort über das Kar runter ins Tal.
Der schlechte Zustand meiner Zähne war „vererbt“. Meine Eltern und auch meine Großeltern kümmerten sich nicht sehr darum, gleichzeitig gab es viele Süßigkeiten aus dem Geschäft. Das Resultat: Karies. Gepaart mit einem ziemlichen Respekt vor dem Zahnarzt wurden Behandlungen immer wieder verschoben.
In Ehrwald kam mir aber zu Hilfe, dass die Frau unseres Gitarristen Günter ebenfalls sehr schlechte Zähne hatte. Sie hatte den Ehrgeiz, sich diese reparieren zu lassen und unser doch recht hoher Verdienst machte das möglich. Daher habe ich mich ihr angeschlossen (das war etwa so wie Windschattenfahren), meine Zahnarzt-Angst überwunden und bin einige Wochen lang zu einem älteren Zahnarzt gegangen, der zufällig Amateurfunker war und der mir nach dem Abschluss der Behandlung auch seine Kurzwellenstation vorgeführt hat. Bemerkenswert ist, dass ich noch immer Plomben von damals habe, die 50 Jahre lang gehalten haben. Tiroler Qualitätsarbeit! Ich verdanke diesem sehr sorgfältigen Zahnarzt sehr viel. Seinen Namen weiß ich leider nicht mehr.
Im Mai 1970 kaufte ich von unserem Gitarristen Günter dessen Fiat Millecinquecento, hellblau mit dunkelblauen Einlagen, Doppelscheinwerfer. Ein Auto für Bastler. Zuerst funktionierte die Bremshydraulik nicht und ein Gast im Cafe Fortuna in Frankfurt hat mir über diese Hürde hinweggeholfen. Dann, bei der Fahrt von Frankfurt nach Rendsburg bin ich einem einbiegenden Lastwagen ausgewichen und in einen Straßengraben abgekommen; wahrscheinlich war auch Übermüdung dabei. Nichts wäre passiert, hätte der Pannendienstfahrer das Abschleppseil an der Achse und nicht an der Spurstange befestigt. Diese hat sich beim Hochheben verbogen und das Lenkrad zog danach stark nach links. Es war ein heißer Juni und an einem der zahlreichen Teiche habe ich dann mit Hilfe des immer größer werdenden Werkzeugkastens die Spurstange getauscht. Dann kam das Problem mit mit dem Starter. Manchmal konnte man startet, manchmal aber konnte das Ritzel nicht in den Spurkranz eingreifen und ein lauter „krrrr…“ war die Folge. Eigentlich hätte man beides, Spurkranz und Ritzel tauschen müssen. Ich versuchte es in einer Bielefelder Seitengasse mit dem Ritzel. Stundenlang unter dem Auto liegend, baute ich den Starter aus, ersetzte das Ritzel und baute des Starter wieder ein. Wäre ein Klacks für einen Mechaniker und kaum der Rede wert. Für mich aber war es eine Sensation, dass das Auto wieder fehlerfrei gestartet ist. Man sieht, es war das ideale Auto für mich. Diese Praxis-Einheiten waren es, die mir auch beim Studium gefehlt haben.
Günter kaufte sich einen etwas größeren Wagen, weil er mehr Platz brauchte. Seine Lebensgefährtin Gitti fuhr mit ihm. Sie hatten auch einen Schäferhund, Arno. Der Wagen war ein Mercedes, schwarz, älteres Baujahr. Großer Kofferraum ohne Ladekante, weil der Deckel bis zum Bodenblech reichte.
Damals begann mir klar zu werden, dass meine Laufbahn als Musiker nicht das Richtige für mich wäre. Natürlich hatte ich eine gewisse Routine aber für Herausforderungen wie ein Wunschkonzert fehlte es uns allen an Repertoire, an der Fähigkeit, vom Blatt zu spielen, es fehlte einfach an musikalischer Ausbildung. Die paar Jahre Klavier-Spielen, das war für Professionalität bei weitem nicht genug.
Ich begann daran zu arbeiten, unsere Musik auf einem UHER-Tonbandgerät aufzunehmen. Bei diesen Aktivitäten habe ich nicht einfach ein Mikrofon auf die Bühne gestellt, nein, ich habe die Lautsprecherausgänge der Verstärker in einem Mischpult zusammengeführt und diese elektrischen Signale zusammengefasst. Das war keine so gute Idee, weil der natürliche Raumklang mit dieser Technik verloren ging und nur durch das Mikrofon beim Schlagzeug etwas eingefangen wurde. Es gab auch noch ein zweites Malheur: während die hochohmigen Röhrenverstärker mit den Ausgangstrafos Kurzschlüsse problemlos überstanden haben, tat dies die Transistor-Endstufe von Günters Gitarrenverstärker nicht und die Endstufe verabschiedete sich bei einer dieser Aufnahmen. Dass ich diesen Fehler dann durch Transistorentausch beheben konnte, war für die anderen Bandmitglieder irgendwie selbstverständlich, für mich aber gar nicht, weil gerade diese Praxis das war, was mir für das Weiterkommen im Studium fehlte.
Es war in Rendsburg, dass ich beschloss, im nächsten Jahr mein Studium fortzusetzen.
Die Kollegen suchten nach einem Ersatz und nach einem ziemlich turbulenten Einsatz eines Italieners in Hameln fanden meine Kollegen dann schließlich einen anderen Bassisten.
Sie fuhren weiter nach Berlin, ich fuhr zurück nach Wien. Noch zwei Mal trafen wir danach zusammen.
Einmal (1971?) in Zell am See. Sie spielten dort ihr Winter-Engagement und ich besuchte sie dort. Nach einer ziemlich gefährlichen Nachtfahrt landete ich zunächst in der Jugendherberge, konnte aber danach bei der Band schlafen. Ich fuhr am Tag auf die Schmittenhöhe zum Schifahren, am Abend war ich so müde, dass ich sofort eingeschlafen bin. Ich habe die Band nur an einem Abend gesehen.
Einmal (1972?), als sie in Wien in der Tenne einen Monat lang spielten und ich sie damals mit meiner Mutter dort besuchte. Ich erinnere mich, dass Gery dort noch auf meinen Wunsch „Unchained Melody“ ein zweites Mal spielte, obwohl er schon stimmlich ziemlich erschöpft war.
Danach verloren sich die Spuren der „Sunsets“.
Gery, der Organist hat noch eineinhalb Jahre länger gespielt und ist danach in seinen erlernten Beruf als Allgemeinmechaniker, heute würde man wohl Mechatroniker sagen) zurückgekehrt.
Ernst, der Schlagzeuger war noch weitere drei Jahre in der Band, bevor er dann eine Zeit lang Discjockey war. Erst dann ist er wieder zurück nach Wien und in seinen alten Beruf als Versicherungskaufmann zurück gekehrt.
Eine Episode gab es noch, die mir Gery heute, 2013 erzählt hat: ich habe in der Zeit als Gery wieder in Wien war eine Stereo-Anlage mit Tuner für ihn gebaut.
Bis zum Jahr 2011 habe ich nichts von meinen damaligen Kollegen gehört obwohl ich von Zeit zu Zeit ihre Namen im Internet gesucht haben.
Dann fand ich aber ein Kabarett-Duo „Resch&Fesch“, bei dem der Name „Ernst Siegel“ eingetragen war. Und er war es auch.
Ich traf nach 40 Jahren wieder meine Kollegen von damals. Beide, Gery und Ernst haben sich in der Umgebung von Wien Häuser gebaut und spielen in ihrer Freizeit immer noch in einer Band „Music4You“.
Ich durfte ihnen einen Webauftritt gestalten. Mitspielen, nein, das wollte ich nicht mehr. Dieser erste Webauftritt wurde durch einen professionelleren ersetzt.
Ich hatte bei diesen musikalischen Seitensprüngen Vorteile durch meine Klavierschule als Kind, war aber überhaupt nicht für die Bühne geeignet, bestenfalls begabt.
Dagegen hatte Ernst Siegel, der große Schwierigkeiten mit Harmonien hatte, eine große rhythmische Begabung und auch die nötige Sicherheit beim Bühnenauftritt. Es stellte sich heraus, dass Ernst viele Jahre in der Eishockey-Bundesliga als Schiedsrichter tätig war und vielleicht hatte sein Bewegungstalent auch Auswirkungen auf sein tolles Schlagzeugspiel.
Gery Czapek war musikalisch durch seine berühmten Eltern, das Duo Czapek, vorbelastet. Er hatte die kräftigste Stimme und er sang in nahezu beliebig vielen Sprachen, fast eine Art Sprachentalent. Allerdings hat Russisch nur so geklungen als wäre es Russisch aber dem Tanzpublikum ist das verborgen geblieben.
Günter Weinhold war Gitarrist, klein, muskulös, autodidaktisch mit der Gitarre verheiratet und spielte Soli ohne große Vorbereitung, einfach ein Profi. Er betrieb den Musikerjob wirklich professionell. Legte mit seiner Frau, die immer mit dabei war das Geld zusammen, sparte, wo es ging. Sie planten, in Tirol ein Hotel zu übernehmen. Ob ihm das gelungen ist, haben wir nicht herausgefunden. Seine Spur haben wir verloren.
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